In einem zweiten Komplex tritt Helnwein seit den frühen siebziger Jahren mit Vehemenz für die Rechte des Kindes ein. Das Kind ist Helnweins Märtyrerfigur. Wie der Erwachsene wird auch das Kind der Gnadenlosigkeit der Mitmenschen unterworfen. Chirurgische Instrumente fesseln es, Narben ziehen sich über sein Gesicht - ein Motiv, das Helnwein seit den siebziger Jahren immer wieder aufgriff. Der Unmensch - der in den Kinderfotos und Kinderbildnissen immer unsichtbar bleibt - nimmt früh Besitz von der Kinderseele, macht sie gefügig und bricht sie. Der abwesende Gewalttäter verkündet seine Präsenz, in dem der Betrachter das Ergebnis der Unmenschlichkeit sieht. Keine helfende Hand, ebenso wenig für die Erwachsenen, regt sich. Kind und Erwachsener sind Metaphern für den Menschen, dem niemand beisteht. Einzig der Funke der Transzendenz und der Reinheit widersteht der Gewalt. Man findet ihn bei den Kindern, deren Kopf ein Strahlenkreuz umgibt wie einen Heiligenschein. Um so schwerer wiegen die Verbrechen, wenn sie an Wesen, die sich nicht wehren können, verübt werden: der Künstler als postmoderner Christus, das Kind in seiner ahnungslosen Göttlichkeit. Mit diesen beiden, in sich tausendfach abgewandelten Komplexen vermittelt der Künstler eine Botschaft, wie sie eindringlicher nicht sein könnte.