Unter den Bildern, die Kurator Jürgen
Doppelstein zusammengetragen hat, befinden sich interessante frühe
Arbeiten. Auch wichtige spätere Schaffensphasen sind mit
charakteristischen Werken vertreten. "Ich wollte Gottfried Helnwein
zeigen, weil er den Finger in die Wunde unserer Unfähigkeit legt, sich
empathisch mit Unterdrückung und Missbrauch zu beschäftigen", sagt
Kurator Doppelstein.
Wer dem 69 Jahre alten Künstler mit den Totenkopfringen an den Fingern gegenübersteht, merkt, was gemeint ist: Helnwein redet Klartext, über seine Kunst und über den in seinen Augen verheerenden Zustand der Welt.
Schon die frühen Schwarz-Weiß-Fotografien, die
er Ende der 1960er von seinen am Boden liegenden, bandagierten Kindern
inszeniert hat, weisen auf das Thema, das ihn nie wieder losgelassen
hat: "Die größte Tragödie der Menschheit ist die Gewalt von Männern
gegen Frauen", sagt er.
Das Motiv versehrter Mädchen zieht sich durch alle Schaffensjahrzehnte. Das zweite wichtige Element in seinen Bildern sind Comicfiguren wie Donald Duck, Mickymaus und seit Neuestem auch streitbare weibliche Mangafiguren – sämtlich in der Schau zu sehen: "Die Disney-Comics waren als Kind meine Lebensrettung. Comic-Figuren tauchen als Prinzip Hoffnung und als irreales Element in meinen Bildern auf."
Gottfried Helnwein wurde 1948 in Wien geboren.
Mit 16 Jahren brach er die Schule ab, ging an eine Grafikschule, später
an die Akademie der Bildenden Künste. Dort bewarfen er und Kommilitonen
aus Protest gegen den festgefahrenen Akademismus die Hochschule mit
Rauch-, Stink- und Farbbomben: "Mir gelang es nie, mich anzupassen."
Weitere Skandale begleiteten seinen Weg in Österreich, das seine
NS-Vergangenheit lange totschwieg. Helnwein provozierte über die
christliche Ikonografie: Dreimal malte er eine Art Jungfrau Maria mit
Kind im Kreis von NS-Offizieren. Neuere Bilder im Obergeschoss des
Museums zeigen Adolf Hitler, wie er sich lieb zur putzigen Mickymaus
hinunterbeugt.
Zur Erinnerung an die Novemberpogrome 1938 hängte Helnwein 1988 unter dem Titel "Selektion" eine lange Reihe Kinderporträts zwischen dem Kölner Dom und dem dortigen Museum Ludwig auf – die Assoziation mit dem Nazi-Arzt Josef Mengele war beabsichtigt, Skandal und Zerstörung durch aufgebrachte Bürger Teil des Werks.
Seine frühen Fotos wehrloser, bandagierter Kinder stehen stellvertretend für das malerische Werk. Zwischen zerbrechlicher Schönheit und Grauen liegen seine überlebensgroßen Mädchenbildnisse. Im Kontext der vielen Bilder von bandagierten oder blutenden Kindern schleicht sich das Grauen auch zu den Unversehrten.