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Helnweins-bewegende-Kinderbilder
February 5, 2018
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Hamburger Abendblatt
Helnweins bewegende Kinderbilder
Katja Engler
Das Ernst Barlach Museum zeigt eine Schau mit 80 Werken des provokanten Künstlers
Wedel. Sein Selbstporträt als bandagierter Schreiender, dessen Augen mit OP-Klammern verschlossen sind, machte Gottfried Helnwein Ende der 1980er-Jahre zum Superstar unter den Malern, zum Schmerzensmann im Zeitalter des Pop. Das Barlach Museum in Wedel zeigt von Sonntag an eine Gottfried-Helnwein-Ausstellung mit 80 Werken.
Die Ausstellung

Unter den Bildern, die Kurator Jürgen Doppelstein zusammengetragen hat, befinden sich interessante frühe Arbeiten. Auch wichtige spätere Schaffensphasen sind mit charakteristischen Werken vertreten. "Ich wollte Gottfried Helnwein zeigen, weil er den Finger in die Wunde unserer Unfähigkeit legt, sich empathisch mit Unterdrückung und Missbrauch zu beschäftigen", sagt Kurator Doppelstein.


Wer dem 69 Jahre alten Künstler mit den Totenkopfringen an den Fingern gegenübersteht, merkt, was gemeint ist: Helnwein redet Klartext, über seine Kunst und über den in seinen ­Augen verheerenden Zustand der Welt.

Schon die frühen Schwarz-Weiß-Fotografien, die er Ende der 1960er von seinen am Boden liegenden, bandagierten Kindern ­inszeniert hat, weisen auf das Thema, das ihn nie wieder losgelassen hat: "Die größte Tragödie der Menschheit ist die Gewalt von Männern gegen Frauen", sagt er.


Das Motiv versehrter Mädchen zieht sich durch alle Schaffensjahrzehnte. Das zweite wichtige Element in seinen Bildern sind Comicfiguren wie Donald Duck, Mickymaus und seit Neuestem auch streitbare weibliche Mangafiguren – ­sämtlich in der Schau zu sehen: "Die Disney-Comics waren als Kind meine Lebensrettung. Comic-Figuren tauchen als Prinzip Hoffnung und als irreales Element in meinen Bildern auf."

Der Künstler

Gottfried Helnwein wurde 1948 in Wien geboren. Mit 16 Jahren brach er die Schule ab, ging an eine Grafikschule, später an die Akademie der Bildenden Künste. Dort bewarfen er und Kommilitonen aus Protest gegen den festgefahrenen Akademismus die Hochschule mit Rauch-, Stink- und Farbbomben: "Mir gelang es nie, mich anzupassen."

Weitere Skandale begleiteten seinen Weg in Österreich, das seine NS-Vergangenheit lange totschwieg. Helnwein provozierte über die christliche Ikonografie: Dreimal malte er eine Art Jungfrau Maria mit Kind im Kreis von NS-Offizieren. Neuere Bilder im Obergeschoss des ­Museums zeigen Adolf Hitler, wie er sich lieb zur putzigen Mickymaus hinunterbeugt.

Zur Erinnerung an die Novemberpogrome 1938 hängte Helnwein 1988 unter dem Titel "Selektion" eine lange Reihe Kinderporträts zwischen dem Kölner Dom und dem dortigen Museum Ludwig auf – die Assoziation mit dem Nazi-Arzt Josef Mengele war beabsichtigt, Skandal und Zerstörung durch aufgebrachte Bürger Teil des Werks.

Obwohl seine Kunst ihn längst reich ­gemacht hat, malt er bis heute obsessiv. Warum? "Ich bin getrieben von Unzufriedenheit. Ich hab das Gefühl, ich streb nach einem unerreichbaren Ideal. Jedes neue Werk ist ein Versuch, etwas sichtbar zu machen, was man nicht sichtbar machen kann, weil es immateriell ist." Was er damit meint: zum Beispiel den Ausdruck eines Kindergesichts.

"Es ist diese Magie, die ­unbegrenzte Fähigkeit zur Imagination, die später vom System zerstört wird, damit funktionierende Staatsbürger entstehen", sagt Helnwein. Mit seiner fotorealistischen Technik gestaltete er auch Zeitschriften-Titelseiten und Plattencover, realisierte viele Bühnenbilder, schuf zahlreiche Gemälde, die primär um zwei Themen kreisen: ­Unschuld und Gewalt.
Die Höhepunkte

Seine frühen Fotos wehrloser, bandagierter Kinder stehen stellvertretend für das malerische Werk. Zwischen zerbrechlicher Schönheit und Grauen liegen seine überlebensgroßen Mädchenbildnisse. Im Kontext der vielen Bilder von bandagierten oder blutenden Kindern schleicht sich das Grauen auch zu den Unversehrten.

"Gottfried Helnwein: Das Kind" Ernst Barlach Museum (S Wedel), Mühlenstr. 1, Di–So 11.00–18.00, Eintritt 8,-/6,-
Ausstellung vom 19.11. bis 8.4.2018
2017




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