Mit dem Umzug nach Deutschland wird zweifelsohne eine zweite, künstlerisch anders geartete Phase eingeleitet. Technisch zeichnet sie sich aus durch den Wechsel von der immer noch relativ kleinformatigen Aquarellmalerei zu großformatigen Gemälden. Thematisch greift Helnwein in Deutschland nicht mehr in die unmittelbare Gegenwart hinein, sondern kommentiert seine Zeit indirekt: er erfindet das kritische Historienbild, in dem die Fratze des Nationalsozialismus in verführerischer Schönheit als Teil des Hier und Jetzt begriffen wird. Und noch radikaler zitiert er erstmals in Deutschland eine christliche Ikonografie, die ihrerseits zum Ziel seiner Zeitkritik wird. In Deutschland beschäftigt Gottfried Helnwein zunehmend die Frage der menschlichen Selekti0n: wie es jemals zur bestialischen Kennzeichnung des Untermenschen kommen konnte. Mit großen Bildern von Kindern, von denen allein der Künstler wissen mag, wer Muslim, Jude oder Christ ist, wer behindert und wer gesund ist, stellt Gottfried Helnwein die provokante Frage, was den Herrenmenschen auszeichnet, was den Untermenschen ausmacht. Auch Helnweins monumentale Selbstinszenierungen als schwer verletzter Untermensch verdeutlichen stärker als zuvor das Leiden des Künstlers an einer repressiven, autoritären Gesellschaft.